Auf dem Rücken eines Pferdes auf die bunten Stangen eines Sprunges zureiten – dieser Nervenkitzel braucht etwas Mut und vor allem eine gute Abstimmung zwischen Mensch und Tier. Fast jeder Reiter kennt die Herausforderungen beim Springreiten, aber stell dir jetzt mal vor, du müsstest einen Sprung anreiten, ohne dich auf deine Beine verlassen zu können, ohne Kraft in beiden Armen zu haben oder hast mit anderen körperlichen Handicaps zu kämpfen. Situationen, welche uns einen Schauer über den Rücken jagen, für die Springreiter mit Handicap jedoch ganz normal sind. Mit welchen verschiedenen Herausforderungen die Sportart zu kämpfen hat und warum ihr definitiv mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, könnt ihr in diesem Blogbeitrag durchlesen.
Was ist Para-Equestrian?
Dass Reiten ein anspruchsvoller Sport ist, kann wohl jeder bezeugen, der schon einmal auf einem Pferd gesessen hat. Gerade für Menschen mit einer Behinderung können Pferde eine große Hilfe sein. Die spezielle Bewegung des Pferdes und auch die enge Verbindung zu dem Tier, aber auch zu anderen Reitern hat viele positive Auswirkungen.
Mit den richtigen Hilfsmitteln wie umgebauten Sätteln, speziellen Steigbügeln und Zügeln kann das Reiten, Fahren und Voltigieren für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen zugänglich gemacht werden. Im Turniersport werden die Reiter in Wettkampfklassen, den sogenannten „Grades“, unterteil. Die Einteilung hängt von der Schwere der Behinderung ab und wird von I – V vorgenommen. In der Para-Dressur wird Grade I zum Beispiel von Reitern mit einer schweren Behinderung hauptsächlich im Schritt absolviert und bei Grade V werden alle Lektionen bis hin zu Serienwechsel gezeigt.
Verwechseln darfst du das Para-Reiten allerdings nicht mit dem therapeutischen Reiten, welches für Menschen als spezielle Therapie eingesetzt wird und auch nicht auf Leistungsebene betrieben wird. In Deutschland wird der Para-Reitsport von einem Anschlussverband der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), dem Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR), organisiert. Allerdings zählt das Springreiten leider nicht dazu, was die Springreiter mit Handicap so schnell wie möglich ändern wollen und sehr dafür kämpfen.
Die Disziplin Springreiten mit Handicap
Für die Springreiter mit Handicap ist es äußert schwierig, sich mit körperlich „gesunden“ Reitern in den gleichen Springklassen zu messen. Eine schnelle Zeit hinzulegen und enge Wendungen zu reiten, ist schon schwierig genug, allerdings scheint das kaum machbar mit Beinen, welche sich nicht vollständig kontrollieren lassen. Ein Zustand, den auch Roland Boost, der amtierende Titelverteidiger des Deutschen Championats der Para-Springreiter, kennt.
Durch einen schweren Unfall wollen die Beine nicht mehr so wie gewohnt und das Laufen fällt ihm schwer. Doch das hat ihn nach dem Unfall nicht davon abgehalten, wieder in den Springsattel zu steigen, in welchem ihn seine Erfahrung und die speziellen Magnetsteigbügel halten.
Wir Para-Reiter sind auf diese speziellen Hilfsmittel angewiesen, sei es ein modifizierter Sattel, Sicherheitssteigbügel oder besondere Zügel. Die Handicaps sind sehr verschieden und die Lösungen oftmals maßangefertigt, wofür wir sehr dankbar sind.“
– Roland Boost
Die Parcoursbesichtigung findet zumeist vom Pferd statt, da das Laufen, vor allem auf dem unebenen Untergrund, vielen Reitern in der Disziplin etwas schwerfällt.
Unterteilt wird das Para-Springreiten auf dem Turnier in zwei Grades:
- Grade II: Parcours mit den Anforderungen bis 0,80 m
- Grade III: Parcours mit den Anforderungen bis 0,90 m
Nur Reiter mit einem Sportgesundheitspass dürfen an den speziellen Prüfungen teilnehmen. Roland erklärt uns, dass die Reiter hierfür von speziellen Ärzten durchgecheckt werden, um zu bestimmen, welchem Grade sie zugeteilt werden oder ob sie überhaupt geeignet sind. „Mir wurde zuerst gesagt, dass ich aufgrund meiner körperlichen Einschränkung gar nicht Springen darf und wurde nur einem Dressur Grade zugeordnet.“ Eine Nachricht, die Roland Boost so nicht akzeptieren wollte, hatte er doch sogar schon mit seinem Handicap an normalen Springprüfungen teilgenommen und das erfolgreich. Glücklicherweise wurde diese Entscheidung nochmal überdacht und nur ein paar Monate später konnte er 2019 das Deutsche Championat der Para-Springreiter auf Lady Couleur im Grade II für sich entscheiden. Im Jahre 2020 konnte er diesen Erfolg nochmals mit A Crash Boom Bang wiederholen und holte den Titel ein zweites Mal nach Bayern.
Seine langjährige Erfahrung als Berufsreiter vor dem Unfall helfe ihm auf jeden Fall weiter, aber natürlich sei der Unterschied jetzt sehr groß. Roland gibt uns gegenüber zu: „Es hat eine Weile gedauert, bis ich selbst zugeben konnte, dass ich eine Behinderung habe. Allerdings ist der Zuspruch der Reiterkollegen und auch des Publikums auf den Turnieren immens. Das hilft auf jeden Fall sehr und motiviert mich, bei dem zu bleiben, was ich liebe.“
Para-Springreiten (noch) nicht anerkannt von der FN oder FEI
Damit noch mehr Reiter mit Handicap, vielleicht sogar Para-Dressurreiter dazu motiviert werden, in den Springsattel zu steigen, ist es außerordentlich wichtig für die Sportart, von der FN oder FEI anerkannt zu werden. Um die Interessen der Sportler zu vertreten, wurde von aktiven Para-Springreitern der Verein Para-Springreiten e.V. gegründet. Die Ziele des Vereins sind auf der Website klar formuliert:
- Förderung des Para-Springsports
- Förderung der nationalen und internationalen Gemeinschaft im Para-Springsport
- Integration des Para-Springsports im Rahmen nationaler und internationaler Turniere
Sie kämpfen dafür, dass ihr geliebter Sport genauso anerkannt wird wie andere Para-Reitsportarten. Unverständlich ist es für die Para-Springreiter, warum die Dressur und auch das Fahren so viel mehr gefördert wird. „Vielleicht sollte ich doch wieder mehr in den Dressursattel steigen. Da kann ich wenigstens Olympia-Sieger werden.“, lacht Roland. Bei einer Anerkennung der FN könnten sie das Deutsche Championat auch endlich Deutsche Meisterschaften der Para-Springreiter nennen.
Warum das Para-Springreiten nicht so populär ist wie die anderen Para-Reitsportdisziplinen, kann uns Roland nicht so genau erklären. Seiner Meinung nach liegt das daran, dass in der Vergangenheit nicht immer so schöner Reitsport gezeigt wurde. Stürze und andere gefährliche Situationen für Pferd und Reiter sind auf den Turnieren passiert. Allerdings habe sich viel getan in den letzten Jahren.
Der Vorstand des Para-Springsport, Christian Feigl, ist selbst erfolgreich auf normalen Turnieren unterwegs und der Para-Reiter Andreas Lechler konnte sogar M-Springen für sich entscheiden. Unterstützung von der FN und passende Lehrgänge würden den Reitern helfen, noch besser zu werden. Im Jahre 2019 konnten die Para-Springreiter sogar an einem Lehrgang mit Simone Blum teilnehmen - ein Highlight, das sie so schnell nicht vergessen werden.
Anforderungen an ein geeignetes Para-Springpferd
Ruhig und gelassen haben wir uns das ideale Para-Pferd vorgestellt, allerdings sagt uns Roland, dass ein gutes Para-Springpferd noch viel mehr mitbringen sollte: „Mitdenken am Sprung muss es in erster Linie.“ Viele Para-Reiter sind vor allem in der Funktion ihrer Beine eingeschränkt. Daher sollte das Tier gut zum Sprung hinziehen und kleine reiterliche Fehler auch mal von selbst ausgleichen. „Sie müssen lernen, auf ihren Reiter aufzupassen und auch mal noch einen kleinen Galoppsprung dazu machen, wenn die Distanz nicht ganz so passt. Es ist faszinierend, wie manche Pferde auf ihre Reiter Acht geben. Es kann immer mal wieder vorkommen, dass ein Reiter schief auf dem Pferd hängt nach dem Sprung, da der Beinschluss fehlt. Mit einer kleinen Seitwärtsbewegung stellen die Vierbeiner sicher, dass ihr Jockey wieder Balance findet und sich geraderichten kann.“
Natürlich spielt auch die Art des Handicaps eine Rolle, welche Eigenschaften das geeignete Pferd vorweisen sollte. Hat der Reiter Probleme, seine Beine als treibende Hilfe zu verwenden, ist ein Pferd mit etwas Go, wie es so schön in der Pferdeszene heißt, vorteilhaft. Sind allerdings die Arme betroffen, sollte das Pferd einfach in der Anlehnung sein und nicht zu heiß im Parcours werden. Oftmals ist es einfacher, wenn die Springpferde schon einige Erfahrung im Parcours und Turnieratmosphäre vorweisen können.
Roland hingegen bildet seine Springpferde selbst aus. Sein Nachwuchspferd macht einen super Job, jedoch muss es nun lernen, im Parcours mitzudenken und ihm als Reiter zu helfen. Mit Rolands langjähriger Erfahrung als Berufsreiter im Springsattel kann er trotz Handicap die Pferde meistens passend an den Sprung reiten. Allerdings kann es auch vorkommen, dass er die Schenkelhilfe, die es benötigen würde, um die richtige Distanz zu reiten, nicht geben kann.
Daher versucht er, nachdem das Pferd Sicherheit im Parcours gewonnen hat, dieses auch mal etwas mehr allein zu lassen, um die Distanz zum Sprung selbst zu suchen. Reiter und Pferd müssen ein Team sein, was natürlich generell im Parcours gilt, für die Para-Springreiter aber besonders wichtig ist.
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