Australien, ein weites Land mit unendlich viel Platz, um die Pferde Pferd sein lassen zu können, warm genug, um im Winter nicht eindecken zu müssen und viele Sonnenstunden. Das klingt doch nach einem Paradies für Pferd und Reiter.
Mit dieser Vorstellung kam ich nach Australien, doch spätestens als ich die ersten Pferde mit Decken bei 25 Grad auf der Weide stehen sah, begann dieses Bild zu bröckeln. Gut, die Fliegen scheinen in Australien wohl ziemlich schlimm zu sein, war mein erster Gedanke, jedoch begann ich zu zweifeln, als ich realisierte, dass die Decken mit Halsteil, Kopf- und Schweifschutz keine Fliegendecken waren. “Cottons” war die knappe Antwort auf meine Frage, was für Decken die Pferde denn bei diesen Temperaturen tragen würden. Den Grund hierfür konnte ich nach ein paar Tagen am eigenen Leib erfahren - die australische Sonne! Was der Mensch mit 50+ Sonnencreme zu schützen versucht, übernehmen die leichten Baumwolldecken bei den Pferden. Sie beugen Sonnenbrand vor und schützen das Fell davor auszubleichen. Kleinlaut wird dann doch zugegeben, dass es natürlich auch praktisch ist, da die Pferde nicht so schnell dreckig werden.
Wie die Pferdewelt sonst so in Australien tickt und was ich alles erleben konnte, erzähle ich dir in diesem Artikel.
Wie und wo sind die Pferde in Australien untergebracht?
Genug Platz gibt es auf jeden Fall in Australien und das spiegelt sich auch in der Art der Unterbringung wider. Viele Pferde leben ganzjährig auf ihrer Weide mit einem Unterstand und das trifft zum Teil auch auf Pferde zu, die im internationalen Turniersport erfolgreich unterwegs sind. Vor allem durch nicht optimale Wetterverhältnisse, wie Sturm, oder den häufig vorbei hoppelnden Kängurus, die ihr in untenstehendem Bild im Hintergrund sehen könnt, sind die meisten Tiere sehr ausgeglichen und abgehärtet.
Wer kennt es nicht: Man tritt vor die Tür und ein starker Wind schlägt einem ins Gesicht. Als Reiter sind die Gedanken sofort beim Reiten und wie nervenaufreibend die Trainingseinheit werden wird mit all diesen angsteinflößenden, durch den Wind verursachten Knister- und Quietschgeräuschen. Da ist es beruhigend festzustellen, dass die Pferde selbst während eines herannahenden Sturms noch ruhig bleiben, denn je nach Region ist der Wind ein ständiger Begleiter.
Natürlich ist es eine tolle artgerechte Haltung und das spiegelt sich auch in der Kondition der Pferde wider. Dadurch, dass sich die Tiere immer bewegen, haben sie eine natürliche Fitness, was vor allem den Vielseitigkeitspferden zugutekommt. Ich habe für einen Vielseitigkeitsstall in der Nähe von Sydney gearbeitet und die Pferde hatten eine wahnsinnige Ausdauer, obwohl sie in meinen Augen unter der Woche eher leicht gearbeitet und zum Teil nur im Schritt ausgeritten wurden.
Auch wenn die Pferde in Stallungen untergebracht sind, kommen sie dennoch meist mehrere Stunden auf recht große Koppeln. Da läuft der Schrittzähler der Angestellten doch schon mal heiß. Vor allem aber ist es eine gute Entlastung, auch für den Reiter.
Ist der Tag doch mal hektisch und man findet einfach keine Zeit, sein Pferd zu bewegen, ist das bei dieser Art der Haltung halb so schlimm. Das heißt natürlich nicht, dass man sein Pferd unter der Woche sich selbst überlassen kann, um dann am Wochenende aufs Turnier zu fahren, auch wenn das manche Reiter hier doch so praktizieren. Das richtige und angemessene Training ist das A und O für gutes und erfolgreiches Reiten.
Diese Art der Haltung ist jedoch auch mit etwas mehr Arbeit verbunden. Je nach Region und Nutzung der Pferde wird bei Regen eingedeckt oder für die Nacht umgedeckt und oftmals ist der Weg zum Stall mit allen Utensilien wie Sattel- und Zaumzeug wirklich weit. Das ist vor allem bei schlechtem Wetter nicht unbedingt das angenehmste, aber zum Glück wird es in Australien nicht ganz so kalt.
Da es jedoch im Sommer sehr heiß werden kann und die Winter eher mild sind, ist das Kälteempfinden verschoben. Mensch und Pferd frieren viel schneller, was bedeutet, dass die Tiere schon bei Temperaturen eingedeckt werden, bei denen wir quasi noch in Shorts rumlaufen würden. Die Baumwolldecken, durch welche jedes Pferd fast gleich aussieht, werden eigentlich das ganze Jahr getragen, außer bei wirklich sehr heißen Temperaturen im Sommer.
Durchaus praktisch, da so die Winter- oder Regendecken nicht direkt auf dem Pferd aufliegen und an der Innenseite sauber bleiben. So müssen nur die “Cottons” gewaschen werden, was wirklich ohne Schwierigkeiten einfach in der Waschmaschine passieren kann. Einen Vorteil, den ich wirklich zu schätzen gelernt habe, während der Arbeit mit den Pferden hier. Beim Anschauen dieses Bildes weißt du, was ich meine.
Der australische Turniersport
Wo soll ich da nur anfangen? Das war wirklich ein Kulturschock für einen Zeitplan liebenden Deutschen, der schon in Hektik gerät, wenn die Prüfung um 15 Minuten verschoben wird. Da ist der Australier eher “laid-back”, wie ich oft zu hören bekomme.
Auf kleineren Turnieren ist mehr so das Motto: "Es wird angefangen, wenn jeder fertig ist." Da kommt dann die Durchsage: “Will noch jemand den 1,10 m Parcours reiten? Ansonsten bauen wir höher.” Oder die Pferde werden abgeritten und auf meine Frage, wann denn die nächste Prüfung beginnt, heißt es, wenn die jetzige vorüber ist. So einfach ist es.
Aber als wäre das nicht genug, wird dann erstmal eine spontane einstündige Mittagspause eingelegt. Kein Problem, die Pferde werden am Anhänger angebunden und erst mal ein Beef-Pie - ein typisch australisches Essen - zwischen die Zähne geschoben. Es gibt wenige Momente, in denen ich sprachlos bin, aber das war einer davon.
Eine sehr beliebte Disziplin sind die sogenannten “Hack-Shows”. Etwas, das es so in Deutschland gar nicht gibt. Stellt euch einen Reiterwettbewerb vor, in dem aber auch Erwachsene auf bis ins Detail rausgeputzten Pferden versuchen, möglichst schön obendrauf zu sitzen. Das kommt dieser Disziplin dann recht nahe.
Ich selbst konnte an solch einem Turnier teilnehmen und verbrachte Stunden damit, die Pferde zu putzen, perfekt einzuflechten, Muster auf den Pferdehintern zu bringen, die weißen Abzeichen mit weißer Farbe zu bepinseln und was man sich sonst so vorstellen kann. Da sind die penibelsten Dressurreiter nichts dagegen.
Es gibt sogar verschiedene Disziplinen, in denen man jedoch trotzdem immer das gleiche macht, nämlich im Schritt, Trab und Galopp möglichst schön in der Bahn zu reiten. Auch wenn ich nicht so ganz dahinter gestiegen bin, hatte ich trotzdem einen sehr witzigen Tag und konnte sogar ein paar erste und zweite Plätze sowie den Reserve-Champion abstauben.
Was bedeutet "International" bei australischen Turnieren?
Wirklich sehr gefreut habe ich mich auf das erste internationale Turnier, zu dem ich mitgehen konnte - ein 3* Vielseitigkeitsturnier. Hier gibt es einen Zeitplan, wurde mir versprochen. Naja, wenigstens für die internationalen Prüfungen, aber besser als nichts.
Auf dem Turniergelände angekommen, habe ich erstmal sehr gestaunt über die fest eingezäunten, offenen Boxen, in welchen die Pferde standen. Wirklich eine super Alternative, anstatt die Tiere den ganzen Tag auf dem Anhänger oder LKW zu lassen, dachte ich, bis ich erfuhr, dass die Pferde darin das ganze Wochenende verbringen. “Laid-back” war alles, was mir dazu einfiel…
Unsere Vierbeiner hatten zumindest ein Dach über dem Kopf, was sich im Laufe des Wochenendes mit Regen und Sturm als sehr nützlich erwies.
Endlich mal wieder internationale Turnierluft schnuppern. Das hatte ich wirklich sehr vermisst. Wobei international vielleicht etwas hoch gegriffen ist, denn neben der australischen Flagge war eigentlich nur noch die Neuseeländische zu sehen. Nicht sehr verwunderlich bei einem Land ohne direkte Nachbarländer. Allerdings sind die australischen Reiter teilweise in ihrem eigenen Land mit Sicherheit weiter angereist als vergleichsweise Reiter bei internationalen Turnieren in Europa. Da wird einem erst mal wieder bewusst, wie riesig dieses Land doch ist.
Eine weitere tolle Erfahrung war ein Übungsturnier auf dem ehemaligen Olympiagelände in Sydney. Eine hochkarätige Anlage mit super Bedingungen. In regelmäßigen Abständen finden hier nationale und internationale Turniere statt und eben auch die Übungsturniere, an denen die Reiter gegen einen kleinen Unkostenbeitrag starten und ihre Pferde an die Atmosphäre gewöhnen können.
Eine weitere tolle Erfahrung war ein Übungsturnier auf dem ehemaligen Olympiagelände in Sydney. Eine hochkarätige Anlage mit super Bedingungen. In regelmäßigen Abständen finden hier nationale und internationale Turniere statt und eben auch die Übungsturniere, an denen die Reiter gegen einen kleinen Unkostenbeitrag starten und ihre Pferde an die Atmosphäre gewöhnen können.
Wirklich schöne Pferde und gute Reiter gab es zu sehen, auch ehemalige Olympiateilnehmer. Da kann man doch fast vergessen, dass man nicht in Europa ist. Zumindest bis wieder die Autohupe zu hören ist, die anstatt einer Klingel zum Läuten für die Dressur genutzt wird. Was soll man auch anderes nutzen, wenn aus Autos heraus gerichtet wird? Auf die Idee, auf diese Art einen Sponsor zu präsentieren, wäre ich nicht gekommen, muss ich gestehen.
Die Industrie mit den Pferderennen in Australien
Eine große Industrie steckt hinter den Rennpferden. Die Australier lieben die Rennen mit den Wetten und fast jede etwas größere Stadt hat eine eigene Grasrennbahn. Was damit alles verbunden ist, wurde mir erst mit der Zeit bewusst.
Morgens zwischen 3 und 4 Uhr beginnt der Arbeitsalltag in den Rennställen. Die Pferde werden auf der Bahn oder auch - wenn möglich - am Meer trainiert, und damit jedes Pferd in den riesigen Ställen seine Zeit bekommt und auf den Rennbahnen tagsüber oftmals anderes Programm stattfindet, muss der Tag unmenschlich früh anfangen.
Für mich, als das Gegenteil eines Morgenmenschen, wirklich unvorstellbar. Ein Rennpferd zu besitzen ist für manche Australier vielleicht auch eher Prestige. So kann ein Tier manchmal mehrere bis hin zu 1.000 Besitzern haben. Der Kaufpreis sowie alle weiteren Kosten von Training bis Tierarzt werden geteilt und alle Hoffnungen daraufgesetzt, dass das “eigene” Tier den berühmten Melbourne-Cup gewinnt, ein Event, welches mehr als so mancher Feiertag zelebriert wird. Geldanlage könnte man es auch nennen.
Wirklich taff geht es da in manchen Ställen zu und sobald ein Tier die geforderte Leistung nicht erbringen kann, muss es eine neue Aufgabe finden. Recht günstig können solche sogenannten “‘Off-the-Track”-Pferde dann erworben werden. Wie sich jeder wahrscheinlich vorstellen kann, sind diese Tiere nicht unbedingt für den “normalen” Pferdesport ausgebildet. Sie sind die normale Hilfengebung nicht gewohnt und sind, je nachdem wie lange und unter wem sie Rennen gelaufen sind, mit recht viel Bewegungsdrang ausgestattet - nett ausgedrückt.
Manche Trainer haben sich zur Aufgabe gemacht, die vierbeinigen Sportler zum Reitpferd auszubilden und den geeigneten Menschen zu finden. Jedoch möchte nicht jeder dieses extra Geld investieren und versucht sich selbst an der Ausbildung.
Da viele Australier auf dem Land große Grundstücke haben und die Pferdehaltung da sehr günstig ist, können sich einige, auch unerfahrene Menschen, die Tiere leisten. Leider geht das dann nicht immer gut. Natürlich gibt es auch tolle Erfolgsgeschichten, in denen ehemalige Rennpferde sogar auf internationalem Parkett, vor allem im Vielseitigkeitssport, vorgestellt werden. Ebenso gibt es extra “Off the Track”-Turnierserien, welche die gute “Weiterbildung” würdigen.
Deutsche Pferde in Australien
Nicht selten sind deutsche Pferderassen hier in Australien zu finden. Vor allem für den Dressursport werden die Tiere sogar aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern importiert. Ein sehr kostspieliges Unterfangen, welches sich aber dennoch lohnen kann. Die australische Dressurpferdezucht kann mit der europäischen dann doch nicht ganz mithalten. Es gibt Züchter, die mit guten europäischen Blutlinien talentierte Pferde züchten, aber der Markt ist einfach nicht groß genug und Reiter, die in der Lage sind, ein Pferd auf Grand-Prix Niveau auszubilden, sind rar gesät.
Daher kaufen Reiter, welche es sich leisten können, gerne Pferde in Übersee, auch wenn sie dafür eine Stange Geld in die Hand nehmen müssen. Salopp ausgedrückt kann man sagen, wer sich ein Pferd im höheren sechsstelligen Bereich leisten kann, der kann dann auch noch 15.000-20.000 Euro für den Transport bzw. die Quarantäne obendrauf legen.
Generell ist der deutsche Pferdesport sehr hoch angesehen in Australien. Natürlich ein großer Vorteil für mich. So wurde mir zum Beispiel auch angeboten, ein Pferd zu reiten, ohne über meine Reitkünste Bescheid zu wissen, da ich als Deutsche ja mit Sicherheit reiten können müsse. Zuversichtlich sind sie auf jeden Fall, die Australier.
Auch wenn alles am Anfang ein kleiner Kulturschock für mich war, gefällt mir die Mentalität, gerade auf den Turnieren, sehr gut.
Ohne meinen heißgeliebten Zeitplan würde ich zwar auf Dauer wahrscheinlich nicht auskommen, aber das nicht ganz so Ernsthafte und Strenge ist doch ganz erfrischend.
Ich kann hier natürlich nur von meinen Erfahrungen sprechen und je nach Region oder Staat, die zum Teil größer sind als mehrere europäische Länder zusammen, gibt es große Unterschiede. Dennoch hoffe ich, dass ich dir einen kleinen Einblick in eine Pferdewelt geben konnte, mit der man in der Regel nicht so viel zu tun hat. Ich bin gespannt, was mich hier noch erwarten wird.
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Ein Kommentar
Hallo Lena,
ich habe soeben deinen Blog gelesen und war begeistert wie du über die Pferdewelt in Australien erzählst, was es alles zu entdecken gibt und welche Erfahrungen du gesammelt hast. Es scheint, als hättest du wirklich eine tolle Zeit in Australien verbracht bzw. verbringst sie vielleicht sogar noch? Wirklich wirklich toll! Es hat auch einen Grund, wie ich auf deinen Artikel gestoßen bin. Ende März werde ich für ein paar Monate nach Australien fliegen und meine Zeit auf einer Ranch, einem gewohnten Ort verbringen wollen. Ich reite seit jungen Jahren und bin vor allem im Springsport und in der Vielseitigkeit aktiv. Darum haben mich diese Zeilen auch am stärksten interessiert. Eigentlich war geplant, dass ich bereits letztes Jahr im August ins Ausland gehe, was dann aber durch einen Reitunfall, bei dem ich mir die Schulter und das Schlüsselbein gebrochen habe, verschoben werden musste. Nach jeglichem Hin und her was nun der nächste Behandlungsschritt sein soll, kann ich nun endlich los und möchte meine restliche Zeit so gut wie möglich gestalten. Darum meine Frage an dich. Hättest du die Möglichkeit mir den Kontakt der Farm, wo du mit Vielseitigkeitspferden gearbeitet hast und sogar auch selbst an einem Turnier teilnehmen konntest weiterzugeben? Das wäre wirklich toll! Darf ich fragen wie lange du dort deine Zeit verbracht hast und wo diese Ranch in Australien liegt? Ich hoffe du schreibst weiter an deinen Einträgen, weil es sicherlich vielen Mut zuspricht und sie inspiriert, solch eine Erfahrung mitzunehmen.
Vielen lieben Dank schonmal im Voraus und auch, dass ich diesen Blog lesen durfte.
Viele liebe Grüße,
Anna